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Urban Exploring = Erkundung der Stadt

Wer sagt eigentlich, dass nur Kirchen, Museum, Kaufhäuser, Hotels und andere intakte Gebäude einer Stadt etwas zu bieten haben? Fans des sogenannten Urban Exploring jedenfalls finden das nicht. Sie erkunden mit Vorliebe Lost Places, sprich Orte, für die sich keiner (mehr) interessiert: verlassene Industrieanlagen, Abwassersysteme, Katakomben und stillgelegte Bahnhöfe, Fahrstuhl- oder U-Bahn-Schächte, Zechen und Militäranlagen, verlassene Wohnhäuser und Höfe, Klinik- und Hotelruinen. Noch aktiv genutzte Gebäude sind nur dann interessant, wenn sie über Bereiche verfügen, die öffentlich nicht zugänglich sind. Dazu zählen zum Beispiel Dächer oder schwer zugängliche Kellerräume.

Urbexer, wie die Liebhaber dieser besonderen Form des privaten Sightseeings genannt werden, besuchen diese Orte aber nicht nur, sondern „erkunden“ diese richtig. Für viele bedeutet das: fotografische Dokumentation oder anderweitige künstlerische Umsetzung des Gesehenen, durch Videos oder Texte beispielsweise.

Was steckt dahinter?

Was für die meisten Menschen ein Sonnenuntergang oder Schloss mit schönem Garten ist – nämlich romantisch und ästhetisch –, ist für Urban Exploring-Anhänger eine Ruine, eine verfallene Industriehalle, ein ehemaliges Gefängnis, eine Militäranlage oder ein anderer verlassener Ort, der nicht ins Bild des öffentlichen Raumes passt. Abenteuerlust und Authentizität spielen für sie oft eine ebenso große Rolle, denn die Lost Places sind Zeugen einer vergangenen Zeit, oftmals sogar mit historischem Charme. Sie zeigen sich, wie sie sind – verfallen und verwildert – und bilden damit einen Kontrast zur sie umgebenden Zivilisation, ihrer Ordnung und Struktur. Geht es um die Motivation der Urbexer, ist daher oft auch von „Zivilisationsflucht“ die Rede.

Viele Urbexer halten ihre Eindrücke in Fotografien fest – so entstand die sogenannte Ruinen-Fotografie. Andere Anhänger wiederum erforschen die verlassenen Orte, indem sie Recherchen zu deren historischen Wurzeln anstellen, Dokumentationen anlegen und online veröffentlichen oder sich vor Ort sportlichen Herausforderungen stellen. Einige Plätze sind schwer zugänglich, andere verschlossen oder mit Hindernissen für „Besucher“ versehen, die das Erkunden erschweren.

Beispiele in Deutschland und anderen Ländern

Was Urban Exploring-würdig ist, ist Ansichtssache, klassischerweise finden sich die für Urbexer interessanten Plätze aber nicht im Stadtführer. Zu den Lost Places gehört zum Beispiel der Bunker unter dem Berliner Flughafen Tempelhof. Dieser war zwar lange öffentlich zugänglich, seitdem der Airport allerdings stillgelegt ist, gibt es einen Lost Place mehr in der Hauptstadt. In Leipzig wiederum finden Urbexer einen ehemaligen Postbahnhof, der seit 1994 geschlossen ist und seitdem immer mehr verfällt. Ähnliche Beispiele gibt es in vielen weiteren Städten Deutschlands: Die Raketenbasis Pydna in Rheinland-Pfalz sowie das ehemalige Stellwerk in Hamburg Wilhelmsburg gehören ebenfalls dazu.

Natürlich ist Urban Exploring kein rein deutsches Phänomen – Ruinen, verlassene Industrieanlagen und co. gibt es schließlich auf der ganzen Welt. Kennen Sie zum Beispiel die Ghost Town Bodie, eine Geisterstadt östlich von San Francisco im Bundesstaat Kalifornien? In dieser ehemaligen Goldgräbersiedlung finden sich noch jede Menge alte Autos, Bauwerke und Gerätschaften, die eine Entdeckung wert sind. Wer nicht ganz so weit reisen möchte, kann auch in Italien auf Erkundungstour gehen. Ob psychiatrische Klinik, verlassene Aluminiumwerke oder ehemalige Textilfabrik – für Urban-Explorer gibt es hier eine Menge zu sehen.

Gefahren beim Urban Exploring 

Wer Ruinen und andere verlassene Gebäude betritt, begibt sich automatisch in Gefahr, denn die meisten Lost Places sind verfallen oder sogar einsturzgefährdet. Hier riskieren „Besucher“ Verletzungen und andere gesundheitliche Schäden. Denn neben maroder Bausubstanz sind auch Gefahrenstoffe wie Gas, Asbest und nicht gesicherte Stromquellen keine Seltenheit. Sind Teile des Gebäudes mit Wasser geflutet, lässt sich selten genau abschätzen, wie tief dieses ist.

Ein allgemeiner Tipp für Urbexer lautet daher: Betreten Sie Lost Places möglichst nie allein, sondern mindestens zu zweit. Manchmal ist auch eine professionelle Schutzausrüstung notwendig, beispielsweise in Bunker- oder Bergbauanlagen. Denn eines ist klar: Schnelle Hilfe dürfen Sie nicht erwarten, wenn Ihnen hier etwas passiert.

Rechtliche Lage

Urban Exploring bedeutet mitunter zwar auch, sich Zugang zu Orten zu verschaffen, zu denen die Öffentlichkeit eigentlich keinen Zugang hat, mit Vandalismus, Diebstahl oder dem Sprühen von Graffitis haben Urbexer aber nichts zu tun. Ihr Motto lautet: „Take nothing but pictures. Leave nothing but footprints.”, also: „Nimm nichts als Fotos mit. Lass nichts als deine Fußspuren zurück.“ Ausnahmen gibt es zwar immer, doch werden diese in der Urban Exploring-Szene nicht toleriert.

Nichtsdestotrotz ist Urban Exploring meist Hausfriedensbruch, nämlich immer dann, wenn es um das Betreten von Grundstücken und Eindringen in Gebäude geht, für die es einer Sondergenehmigung bedarf. Da diese meist nur schwer zu bekommen ist, üben viele Urbexer ihr Hobby ohne Genehmigung aus.

Fazit

Urban Exploring ist eine Mischung aus Sightseeing und Kunst – auf der Suche nach authentischen Orten der Zeitgeschichte, die fotografiert oder anderweitig dokumentiert werden. Ob Ruine, Industrieanlage oder Bergwerk: Hauptsache, der Ort ist nur schwer zugänglich, verlassen und heruntergekommen oder verwildert. Ist das der Fall, spricht man von sogenannten Lost Places. Je maroder ein solcher Ort, umso spannender, aber auch die Gefahren solch privater Erkundungstouren sollten nicht unterschätzt werden. Entsprechende Ausrüstung und Begleitung durch eine oder mehrere Personen sind daher empfehlenswert. Wer Urban Exploring betreibt, dem sollte außerdem klar sein: Rechtlich gesehen bewegen Sie sich dabei auf dünnem Eis, sobald es sich um Hausfriedensbruch handelt.